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25 Jahre Rotkreuz-Museum - Die Geschichte der Kreuz-Retter

Eine Fernmeldeeinheit, aufgebaut im Rotkreuz-Museum in Friedenau. Foto: Thilo Rückeis

Zehn ehrenamtliche Mitarbeiter dokumentieren im Berliner Rotkreuz-Museum die bewegte Geschichte der Hilfsgesellschaft, die in einer historischen Schlacht des 19. Jahrhunderts ihren Lauf nahm. Jetzt feiert die Sammlung ihr 25. Jubiläum.

Schon am Eingang taucht der Museumsbesucher in die Vergangenheit, vor einer Fernmeldeeinheit aus dem Zweiten Weltkrieg. Zwei Fernsprechtelefone, eines mit dem Symbol des Roten Kreuzes und eine Anlage mit vielen Kabeln und Knöpfen. Davor sitzt eine mannsgroße Figur in Uniform: der Fernmelder. So sah die Kommunikation damals aus – in Zeiten von Smartphones unvorstellbar. Wie rasant sich unsere Gesellschaft gewandelt hat, wird dem Besucher des Rotkreuz-Museums in Friedenau noch häufiger klar. Tausende von Exponaten, darunter vergilbte Fotos, Orden, Embleme, Urkunden, Verbandskästen und eine Krankenliege von 1880, dokumentieren auf 250 Quadratmetern die Geschichte des Roten Kreuzes. Am Sonnabend feiert das Museum 25-jähriges Bestehen. Alles begann in der Schlacht von Solferino Alles begann mit dem Schweizer Kaufmann Henry Dunant, der 1859 bei der Schlacht von Solferino im Sardinischen Krieg bemerkte, wie schlecht die verwundeten Soldaten versorgt wurden. Seine Idee, Zivilisten für die Versorgung der Verwundeten einzusetzen, fand viele Anhänger. 1863 kam in Genf das „Komitee der Fünf“ zusammen – die Geburtsstunde des heutigen „Internationalen Komitees vom Roten Kreuz“. Heute leistet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Berlin mit Unterstützung von rund 2 000 ehrenamtlichen Helfern unter anderem Häusliche Krankenpflege, bietet den DRK-Hausnotruf und sanitäre Hilfe bei Veranstaltungen. Mehr als 15 000 Stücke haben sich bis heute im Berliner Museum angesammelt. Davon befindet sich ein Großteil in zwei Archivräumen. Ehrenamtlicher Leiter der Sammlung ist Hans-Joachim Trümper. 1961 schickte sein Vater seinen Bruder und ihn zum Jugend-Rot-Kreuz. „Damit wir mal was Sinnvolles machen“, sagt Trümper. Sein weißer Bart hebt sich zu einem Lachen. Damals war Trümper zwölf Jahre alt. Und er blieb. Später wechselte er zum Roten Kreuz Neukölln. Der 65-Jährige Neuköllner erinnert sich noch gut an die Zeit, in der er dort ehrenamtlich in der Sanitätsbereitschaft gearbeitet hat und auch für die Gerätekammer mit Sanitätsmaterial zuständig war. Mitte der Siebzigerjahre sollte altes Material ausgemustert werden. „Das war aber noch einwandfrei“, sagt Trümper. Er bewahrte alles im Keller des DRK-Kreisverbandes Neukölln auf, und ständig kam etwas Neues dazu. Viele Leute lagerten zudem alte Fotos oder Urkunden dort. Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des DRK Neukölln entstand die erste Ausstellung im Heimatmuseum Neukölln. 1990 zog das Museum in zwei Räume der DRK-Sozialstation Neukölln, fünf Jahre später als Dauerausstellung „Im Mittelpunkt der Mensch“ zum Landesverband des Berliner Roten Kreuzes nach Friedenau. Schätze vom Flohmarkt Die zehn Mitarbeiter des Museums arbeiten alle ehrenamtlich. 2003 gründeten sie den „Rotkreuz-Museum Berlin e. V.“ – das Berliner Museum ist das einzige der 15 Rot-Kreuz-Museen bundesweit, das von einem Verein getragen wird. Der Landesverband finanziert die Räume, sonstige Kosten bestreitet der Verein durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Viele Schätze hat Trümper auf Flohmärkten gefunden, zum Beispiel den Tschernobyl-Orden. Er sollte vom DRK an jene Menschen verliehen werden, die direkt nach der Katastrophe zum Helfen vor Ort waren. „Doch er konnte sie nie erreichen, da sie innerhalb kurzer Zeit an den Folgen der Radioaktivität gestorben sind“, sagt Trümper. Im Museum erinnert der Orden nun stumm an die ehrenamtlichen Helfer. Von der hölzernen Bahre zum Rettungshubschrauber Die Ausstellung folgt einer chronologischen Ordnung. Für die Zeit des Roten Kreuzes während des Ersten Weltkriegs stehen unter anderem drei Sammelbestecke. Sie demonstrieren eindrücklich, mit welchen Mitteln damals auf dem Schlachtfeld operiert wurde: Spritzen, Messer, Pinzetten, um Kugeln aus dem Körper zu ziehen. Auch die Krankenliege auf Holzrädern, mit der früher Verletzte transportiert wurden und die bis in die 1950er Jahre in Gebrauch war, lässt vermuten, wie langwierig der Krankentransport vor Erfindung der Rettungswagen war. Heute kann das Berliner Rote Kreuz sogar mit einem Rettungshubschrauber zum Einsatz fliegen und Verletzte in Intensiv-Transport-Wagen ins Krankenhaus bringen – das sind kleine Intensivstationen, in denen operiert werden kann. „Man denkt heute gar nicht darüber nach, wie gut es uns geht“, sagt Trümper. Ein Schaukasten und einige Tafeln informieren über eine dunkle Seite der Rot-Kreuz-Geschichte: die Nazizeit. Das DRK wurde gleichgeschaltet und leitende Stellen durch NSDAP-Funktionäre besetzt. „Nicht-Arier“ mussten den Verband verlassen. Adolf Hitler selbst war DRK-Schirmherr. Auf Wimpeln und Armbinden steht in der Ausstellung das Hakenkreuz neben dem Symbol des Roten Kreuzes. In den Neunzigerjahren ließ das DRK die eigene NS-Verbindung durch zwei Historikerinnen aufarbeiten. Mit dem Bulli durch West-Berlin Im letzten Teil der Sammlung finden sich Exponate, die vielen Besuchern bekannt vorkommen dürften. Die Kleidersäcke etwa, in denen in Westberlin Altkleidung gesammelt wurde. Besonders spannend auch für Kinder sind die etwa 200 Modellautos, unter ihnen auch der Bulli, mit dem die Rotkreuzler vor der Wende in West-Berlin unterwegs waren. Kinder liegen Trümper besonders am Herzen: „Vor allem in Berlin finde ich es sehr wichtig, den Kindern den humanitären Gedanken nahezubringen.“ Jeden Tag passiere in einer Großstadt wie dieser Gewalt – man müsse versuchen, mit Humanität dagegenzuhalten. Quelle: Der Tagesspiegel Berlin